Wunderschönes Belgien: Warum ich Belgier geworden bin

Gestern fand ein Fußball-Freundschaftsspiel zwischen Belgien und Deutschland statt, das in Belgien noch nicht einmal live übertragen wurde, was wiederum in Deutschland undenkbar wäre. Aber in anderen Ländern ist der Fußballsport glücklicherweise nicht auf so irrationale Weise mit der nationalen Identität verwachsen wie in der BRD (remember “Das Wunder von Bern”, 1954, oder “Das Sommermärchen”, 2006), leider interessieren sich außerhalb von Brüssel jedoch immer weniger Menschen für Kollektive, die unter dem Namen ‘Belgien’ operieren, da sich das Alltagsleben und -bewusstsein zunehmend als ‘flämisches’ oder ‘wallonisches’ begreift.

Der kosmopolitische Autor Benno Barnard stellt in seinem Essay Warum ich Belgier geworden bin eine flämische Lebensweise, die sich am Natürlichen und Provinziellen orientiere, einer belgischen Lebensform gegenüber, die sich an Kultur und Vielsprachigkeit ausrichte:

Want wat is het Vlaamse van de Vlaming anders dan een kwestie van natuur, familie, worteling, provincie, dialect, al datgene wat men van zichzelf is zonder moeite daarvoor te doen? (…) Het Belgische van de Belg daarentegen, zijn ‘belgitude’, is een kwestie van cultuur, levenswijze, vriendschap, urbaniteit, Nederlands en Frans – en voor die cultuur heb ik gekozen.

Übersetzt lautet dies in etwa:

Denn was ist das Flämische der Flamen anderes als eine Frage von Natur, Familie, Verwurzelung, Provinzialität, Dialekt, also all demjenigem, was man selbst schon ist, ohne sich überhaupt angestrengt zu haben? (…) Im Gegensatz dazu ist das Belgische der Belgier, ihre ‘Belgitude’, eine Frage von Kultur, Lebensweise, Freundschaft, Urbanität, Niederländisch und Französisch – und für diese Kultur habe ich mich entschieden.

[In: Benno Barnard: Waarom ik Belg ben geworden, p. 487f. In: Benno Barnard: Eeuwrest. Amsterdam; Antwerpen: Atlas, 2001, p. 485-494.]

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About Thomas Ernst

Thomas Ernst is Professor of Modern German Literature at the University of Antwerp. He also works at the University of Amsterdam and holds a venia legendi on Media and Cultural Studies/German Studies at the University of Duisburg-Essen. His research focuses on the construction of identities, images of Germany and Europe, multilinguality and transcultural spaces in Austrian and German literature; on experimental and subversive Austrian and German literatures in the 20th and 21st century; and on the digital transformation of media and its cultural effects (literature and social media; intellectual property rights; digital publishing). His publications include books on “Popliteratur” (2001/2005), “Literatur und Subversion” (2013) and numerous papers that have been published in international magazines and book series with peer-review. At the moment, he is working on a monograph on literature and social media.

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